Liebe Freunde der Mathematik,
unsere Kolleg*innen aus Deutschland haben einen interessanten Artikel veröffentlicht, der sicherlich auch für Österreich interessant ist. Wir möchten ihn euch natürlich nicht vorenthalten!
Mathematik und Digitalisierung befeuern sich gegenseitig
Die Digitalisierung ist der große Paradigmenwechsel unserer Zeit: Die Entwicklung umfasst alle Lebensbereiche. Für Schülerinnen und Schüler als „Digital Natives“ ist der Umgang mit digitalen Geräten selbstverständlich. Soziale Netzwerke, Online-Games oder Suchmaschinen sind fester Bestandteil ihres Alltags. Auf anderen digitalen Gebieten allerdings können auch viele Digital Natives noch hinzulernen, etwa beim Programmieren, in Fragen der Datensicherheit oder beim Filtern und Überprüfen von Informationen.
Mathematik spielt bei der Digitalisierung eine zentrale Rolle, nicht umsonst bedeutet „computare“ auf Latein „berechnen“. Mit logisch-mathematischem Verständnis erschließen sich viele digitale Prozesse leichter. Gleichzeitig öffnen digitale Hilfsmittel neue Zugänge zur Mathematik. Deshalb kann der Mathematikunterricht einen wichtigen Beitrag leisten, damit die Schülerinnen und Schüler ihre digitalen Kompetenzen ausbauen und auf die Berufswelt vorbereitet sind.
Algorithmen verstehen: wie Maschinen „denken“
Vielen denken beim Wort „Algorithmus“ an Suchmaschinen oder soziale Netzwerke – an den automatisierten Versuch, Fragen und Bedürfnisse von User*innen möglichst zutreffend zu interpretieren. Dass Algorithmen zuallererst einfach Rechenvorschriften sind, ist vielen Schülerinnen und Schülern nicht bekannt. Die grundlegende Idee der Turingmaschine und die Arbeit mit Flussdiagrammen können dazu beitragen, die Arbeitsweise digitaler Systeme besser zu verstehen. Dabei beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler zunächst mit Rechenprozessen, die ihnen gut vertraut sind – etwa der Addition zweier Zahlen – und „übersetzen“ sie in eine Reihe von Rechenvorschriften. Am Ende ergibt sich ein Ablauf, beginnend mit einer Eingabe, verschiedenen Operationen wie zum Beispiel „Wenn … dann“-Bedingungen und Schleifen bis hin zur Ausgabe eines Ergebnisses.
Unterrichtsidee: Zufallszahlen erzeugen und überprüfen
Dass sich durch Algorithmen Zufallszahlen erzeugen lassen, erscheint auf den ersten Blick widersinnig, weil das Ergebnis einer Berechnung ja eben nicht zufällig ist. Tatsächlich sind digital erzeugte Zufallszahlen nur pseudozufällig. Trotzdem bietet die Beschäftigung mit Zufallszahlen einen Einblick in interessante mathematische und algorithmische Überlegungen. Im Kern der Unterrichtsidee steht die Division mit Rest (modulo), die hinführt zur linearen Kongruenz – einem häufigen Verfahren, um scheinbar zufällige Zahlenfolgen zu erzeugen. Besonders eindrücklich lässt sich das Verfahren mit einem Computer-Algebra-System (CAS) wie zum Beispiel dem ClassPad anwenden.
Die Geheimnisse von Big Data lüften
Zu den gewaltigsten Neuerungen, die die Digitalisierung in die Gesellschaft gebracht hat, gehört die Möglichkeit, große Mengen an Daten zu erheben und zu analysieren. Bevölkerungsstatistiken, Einkäufe, Kommunikationsverhalten, Krankheitsfälle – die Liste an Lebensbereichen, in denen täglich gewaltige Datenmengen produziert werden, ist schier endlos. Ebenso groß ist das Interesse daran, in Big Data Muster aufzuspüren und zum Beispiel wirtschaftlich zu nutzen: Zeigen Analysen zum Beispiel, dass Hundebesitzer*innen grüne Fahrräder bevorzugen, dann könnte man ihnen beim nächsten Hundefutterkauf gleich eine Werbeanzeige für ein grünes Fahrrad einblenden. Nicht alle Analysen von Big Data decken echte Zusammenhänge auf. Beispielsweise dürfte es eher Zufall sein, dass der Margarinekonsum in den USA stark mit der Scheidungsrate im US-Bundesstaat Maine korreliert. Aber in vielen Fällen können Data Scientists menschliche Entscheidungen erstaunlich genau voraussehen. Berühmt geworden ist der Fall einer amerikanischen Supermarktkette, die mithilfe von Datenanalysen gezielt schwangere Kundinnen mit Werbemaßnahmen erreichen wollte. Der Vater einer Minderjährigen wollte gerichtlich dagegen vorgehen, dass seine Tochter Werbung für Schwangere erhielt – und erfuhr erst auf diesem Weg, dass das Mädchen tatsächlich schwanger war. Kein Zweifel: Datenanalysen können wichtige gesellschaftliche oder wirtschaftliche Entwicklungen aufzeigen. Aber sie erlauben es auch, Erkenntnisse über das menschliche Verhalten zu gewinnen, die viele Menschen eher in ihrer Privatsphäre ansiedeln. Umso wichtiger ist, dass Jugendliche einen Einblick gewinnen, welche Informationen Daten preisgeben und wie Data Scientists dabei vorgehen. Datenanalysen und ihre grafische Darstellung helfen, besser zu verstehen, wie sich aus Rohdaten Muster und Zusammenhänge herauslesen lassen.
Unterrichtsidee
Ein hilfreiches Tool für Datenanalysen bietet die Website codap.concord.org des amerikanischen Concord Consortiums, das sich für die Verbesserung digitaler Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern einsetzt. Hier lassen sich eigene Daten analysieren, es stehen aber auch fertige Datensätze für Analysen zur Verfügung beispielsweise die Ergebnisse einer umfangreichen Befragung von Grundschulkindern aus Nordrhein-Westfalen, Leichtathletik-Bestzeiten der olympischen Spiele oder Spurdaten von Elefantenrobben. Die Schülerinnen und Schüler können mithilfe der Daten zum Beispiel eigene Hypothesen aufstellen, überprüfen, darstellen und ihre Ergebnisse präsentieren. Für höhere Jahrgänge empfiehlt sich zum Beispiel ein mathematischer Einstieg in Clusteranalysen – mit eigenen Vorüberlegungen und vielleicht sogar der Programmierung einer eigenen Analyse in Python.
Bitcoin: sinnvolle Alternativwährung oder Energiefresser?
Zu den überraschendsten digitalen Entwicklungen gehören Kryptowährungen – allen voran Bitcoin. 2008 veröffentlichte eine bis heute nicht identifizierte Person oder Gruppe unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto online ein Papier mit dem Titel „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System“. Allein der Gedanke war revolutionär: eine Währung auf elektronischer Basis, die keiner staatlichen Kontrolle unterliegt, sondern nur dem digitalen Konsens ihrer Nutzer – und einem ausgeklügelten Sicherheitssystem, der Blockchain. Die Technologie stellt sicher, dass einmal abgeschlossene Transaktionen nicht nachträglich manipuliert werden können. Das können finanzielle Transaktionen sein, aber auch alle anderen Arten von Informationen, die fälschungs- und verlustsicher gelagert werden sollen, zum Beispiel Heiratsurkunden, Grundbucheinträge, Geburtsurkunden. Höchst beeindruckend ist zudem die Kursentwicklung von Bitcoin. So kostete beispielsweise zum Jahresbeginn 2016 ein Bitcoin noch rund 400 Euro. Mitte Februar 2021 war er auf mehr als 45.000 Euro geklettert. Obwohl auch die Technologie der Blockchain viele interessante Ansätze für den Mathematikunterricht bietet, soll es hier aber vor allem um das „Schürfen“, also das Erschaffen der mittlerweile ziemlich wertvollen Bitcoins gehen. Der Gedanke, Geld einfach selbst herzustellen, ist verführerisch. Aber lohnt sich das wirklich? Die Grundidee beim „Bitcoin-Mining“ ist ein Tauschgeschäft: Wer Rechnerkapazität zur Verfügung stellt, erhält zur Belohnung Bitcoin. Die Rechnerkapazität wird benötigt, um „Hashs“ für neue Blöcke der Blockchain zu berechnen. Hashs entstehen durch einen komplizierten kryptografischen Algorithmus, sie „versiegeln“ die Informationen in der Blockchain und garantieren deren Integrität. Die Berechnung eines gültigen Hashs wird durch allerlei Vorgaben künstlich kompliziert, so dass eine immense Menge an Rechenleistung nötig ist, um zum Beispiel einen ganzen Block abzuschließen. Hinzu kommt, dass Bitcoin-Miner in Konkurrenz zueinander stehen und deshalb immer weiter aufrüsten. Ein Block hat aktuell den Gegenwert von 6,25 Bitcoin. Ungefähr alle zehn Minuten entsteht ein neuer Block.
Quelle: https://www.casio-schulrechner.de/de/lehrerschule/lehrerspezial17/themenspezial/